Theaterspielen geht auch Ü 65 – alte Leidenschaft neu entdeckt!
Wie wichtig Netzwerken für ein selbstbestimmtes Leben Ü 65 ist, möchte ich euch in meinem Erfahrungsbericht übers Netzwerke und Theaterspielen erzählen.
Ich bin einerseits aktive Ü65erin, suche Kontakte und Verbindung zu Menschen mit ähnlichen Interessen, andererseits stehe ich durch meine Tätigkeit als Trainerin „Bewegen bringt Segen“ in Kontakt zu Einrichtungen und Institutionen, in denen ich meine Trainings anbieten kann.
Eines hilft dem anderen.
Bei einem Netzwerktreffen in der südlichen Vorstadt, initiiert durch das Quartiersbüro der AWO, bekam ich den Hinweis auf die Aktivitäten im JuBüz (Jugend- und Bürgerzentrum der Stadt Koblenz) auf der Karthause.
Das war im Spätsommer 22.
Im November fragte ich bei Michael Lüdecke an, ob ich mich der Theatergruppe anschließen kann. Michael Lüdecke ist Leiter des JuBüz auf der Karthause und bereichert das Haus mit seiner Erfahrung als Theaterpädagoge.
Ab Oktober 22 war ich Teil des Ensembles.
In der Gruppe, die schon seit zwei Monaten in den Proben war, wurde ich sehr offen aufgenommen. Nach zwei Probeabenden mit Aktivität in der Aufwärmphase und Beobachten während der eigentlichen Probe war mir klar, da möchte ich gerne mitmachen.
Die Art und Weise, wie sich die Spieler*innen begegneten, begeisterte mich. Wie unter Michaels Anleitung die Ensemblearbeit, ich kannte bisher nur das Regietheater mit seiner hierarchischen Arbeit, Früchte trug und das Stück, so wie wir es interpretierten unter unseren Füßen entstand, ließ mich staunen und machte mich manchmal echt sprachlos.
Eigene, während des Spielens erfahrene Emotionen nach außen zu transportieren und damit auch bewusste Denkprozesse in Gang zu bringen in einem Bühnenraum, den Nicole Heidel, unsere Künstlerin für Bühnen- und Kostümbild, spartanische aus Treibholz mit uns gestaltete, war eine ganz persönliche, ja intime Erfahrung.
Weniger ist mehr.
Gezielte chorisch gesprochene Textpassagen, freudig, laut, leise, erschüttert, verhalten, zornig, eindringliche, sparsame Dialoge, verbale Sprache ersetzt durch intensive, jedoch nicht aufdringliche Körpersprach in Mimik und Gestik, eingefrorene Bewegung, Haltung zeigen in essenziellen Momenten, die den Zuschauer*innen Zeit zur Reflektion ließen, summen, tanzen, alles fand Platz in unserem Stück.
Während der Proben entwickelten wir mit Nicole auch unsere Zeichen für Holz, Fluss, Gemeinschaft, Solidarität, Schicksal, Freude, Glück, Zufriedenheit, Krankheit, Sterben, Verzweiflung, Tod, die Grenze ist dicht, die wir während des Spielens als Chronik ins Stück einbrachten.
Dafür nutzten wir Rollen aus Packpapier, auf das wir mit Holzkohle die Symbole zeichneten. Wieder diente uns das Holz als Bild für wandlungsfähiges Medium, egal ob als Werkzeug, Papier oder als Mittel zum schriftlichen Ausdruck.
Nicole unterstützte uns auch bei der Auswahl unserer Kostüme, die ausgewählten Details schrill oder dezent platziert, brachten den Charakter der dargestellten Persönlichkeit über das Outfit zur Geltung. Eine wichtige Voraussetzung, um ganz in der Rolle aufzugehen, wie ich feststellen konnte. Ebenso wichtig war das Ablegen der Kleider, damit legte ich nach dem Spielen bewust meine Rolle wieder ab.
Gestern, bei unserer letzten Vorstellung vor ausverkauftem Haus, packte mich das Lampenfieber wenige Minuten vor der Aufstellung so heftig, dass ich dachte, ich falle gleich um, so schwindelig wurde mir.
Für solche Fälle habe ich meine Übungen zur Stressregulation parat und bisher durfte ich die Erfahrung machen, dass mit den ersten Schritten auf der Bühne die Anspannung nachlässt. Sie bleibt mir in einem guten Niveau erhalten, das brauche ich, um präsent zu bleiben während des Spielens.
Wir waren 75 Minuten ohne Pause auf der Bühne.
Für uns Spieler*innen verging die Zeit verging wie im Flug, „brennende Zeit kann man löschen“ so ein einprägsamer Satz aus dem Stück.
Ich will alles dafür tun, dass meine Lebenszeit nicht verbrennt. Sie ist mir kostbar. Auch das ist eine persönliche Erkenntnis, die ich aufgrund des Stück tiefer hinterfragen kann.
Der Applaus unseres Publikums ließ am letzten Spieltag nicht lange auf sich warten, als das Bühnenbild erlosch.
Trotz der Betroffenheit der Menschen ernteten wir großen Beifall für unsere Aufführung.
Die Rückmeldungen sprachen für sich:
Die Aktualität des Stücks, Schimmelpfennig hatte es 2016 vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise geschrieben, krass und alarmierend, aufrüttelnd und sprachlos machend.
In den vergangenen Jahren ist auch für uns, in unserer bisher sicher geglaubten, heilen Welt Krankheit und die Auswirkung des Klimawandels angekommen.
Ein nachhaltiges Stück, dass zum Handeln aufruft.
Ich bin froh, Teil des Ensembles zu sein.
Mein Wunsch ist es, beim nächsten Stück wieder dabei zu sein, in einer Rolle oder im Hintergrund als Unterstützung für das Ensemble.
Dankbar erkenn ich an, dass mich meine Netzwerke halten und unterstützen, auf meinem Pfad als glückliche Frau Ü 65.
Ich bin gespannt, was das Leben vor hat, während ich meine Pläne mache.
Meiner Vision zu folgen, ist auf jeden Fall ein gutes Signal ans Universum, daran glaube ich.
Christa Maria Greis
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